Blind Date mit der Welt. Wie Blinde reisen
Editorial. Wie Blinde reisen
Reisen im Jahr 2021 sind bald wieder leichter möglich. Die neuen Lockerungsmaßnahmen lassen es zu. Super. Aus eigenen und vielen anderen Reaktionen stellen wir fest, dass die eingeschränkte Reisefreiheit schmerzlich vermisst wurde.
So einfach es für die meisten Menschen ist, kurz mal eben zwei Wochen Urlaub zu machen und wegzufahren oder zu fliegen, so schwierig ist es für Menschen mit Handikap, Reisen als normale Verhaltensweise ins tägliche Leben zu integrieren.
Wie gut oder schlecht sind Reisen für Blinde zu organisieren?
Wer macht sich als Sehender Gedanken über die Einschränkungen, wie es jemand ergeht, der sich weder selbst ans Steuer eines Autos setzen, geschweige denn eine Reise nach Australien organisieren kann?
Wir haben im Rahmen unserer Community Aktion einen Leserbrief von Bianka Mandrella erhalten, die blind ist und trotzdem viele Reisen unternommen hat und noch unternehmen will.
Wie macht sie das und welche Sinne nutzt sie dafür?
Hier ist der Bericht von Bianka Mandrella:


Bianka Mandrella, Reiseerzählung einer Blinden
Ich liebe es, das Reisen mit all meinen Sinnen zu erleben, auch wenn mir einer davon fehlt.
Viele Orte habe ich schon besucht: Wien, Amsterdam, Paris, England, Finnland, Guatemala. Australien war wunderschön, auch wenn ich es natürlich nicht sehen kann. Ich liebe die Nordsee und die Winter in nordischen Ländern. Schottland und Griechenland will ich noch erleben und für nächstes Jahr planen mein Freund und ich einen Trip mit dem Auto durch die USA.
Da ich blind bin, muss ich mir alles beschreiben lassen. Das kann nicht jeder. Deshalb kaufe ich mir gerne an den Souvenirständen Modelle von den Sehenswürdigkeiten. Einen Eiffelturm aus Metall habe ich mir zum Beispiel gekauft. Wenn ich das Modell betaste, die Form erforsche, den Eiffelturm quasi mit meinen Fingern ‚sehe’, versuche ich mir vorzustellen wie das in gross aussieht. Natürlich gehe ich auch in den Eiffelturm rein und esse dort zu Mittag. Ich versuche immer ein ganz besonderes Erlebnis mit einem Gebäude zu verbinden.
Ich sitze gerne in Cafés und höre, was die Leute erzählen. Jeder Ort hat seine eigenen, typischen Geräusche, seine eigene, besondere Sprachmelodie. Es ist sehr schön, diesem Klangteppich zu lauschen. Reisen ist so viel mehr als Sehenswürdigkeiten anzuschauen.
Was mich ganz besonders beeindruckt hat war meine Reise nach Australien. Ich kann das fast nicht beschreiben, weil es so besonders und speziell war. Ein ganz tolles Erlebnis dort war zum Beispiel ein Besuch im Wildpark. Ich habe mit Kängurus gekuschelt und sie mit Mais gefüttert und ich hatte zwei Schlangen auf dem Arm, die sich um meine Arme gewunden und an meinem Ohr geschnuppert haben. Das war so schön und ich hatte überhaupt gar keine Angst vor ihnen.
Ich möchte alle Menschen, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht, daran erinnern wie besonders das Reisen ist und ihnen Mut machen das zu tun, auch wenn sie sich unsicher sind und Angst haben, es nicht schaffen zu können.
Als Blinde lerne ich so viele Leute kennen, die mir etwas über die Kultur und den Ort erzählen. Auch Essen ist oft das Thema. Menschen kennenzulernen und zu erleben ist so klasse, so super. Wir bereichern uns gegenseitig. Das ist sehr intensiv. Das sind Erinnerungen, die ich nie vergesse. Auch wenn ein Sinn fehlt, es ist absolut wunderbar.
Portrait Bianka Mandrella
„Ich bin unternehmungslustig, Physiotherapeutin, selbstständig, aufgeschlossen, liebe es, die Welt zu erkunden, sehr kommunikativ, neugierig, ich koche gerne und bin gerne kreativ. Zum Beispiel schreibe ich gerne.“
Habt ihr Fragen an Bianka? Seid ihr selbst in einer ähnlichen Situation und wie löst ihr es?
Habt ihr Fragen an Bianka? Seid ihr selbst in einer ähnlichen Situation und wie löst ihr es?
Lesetipps
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Diskussion
betravel Reiseredaktion
Artikel aktualisiert am 2. September 2022

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Vielen Dank liebe Bianka für den Einblick in deine Welt! Ich bin sehr gerührt und werde Souvenirs ab heute mit anderen Augen sehen und dabei an dich denken. Ich würde mich freuen, noch mehr von dir zu lesen und mehr über deine Eindrücke von der Welt, wie du sie erlebst, erfahren. Liebe Grüße, Jasmin!
Liebe Jasmin, es ist eine eindrucksvolle Schilderung Deiner Gefühle beim Lesen des Berichts von Bianka. Ich freue mich, dass es Dir so ergangen ist, ich habe mich nämlich genauso gefühlt. Bianke wird Deinen Kommentar lesen und ich bin sicher, sie wird Dir demnächst antworten. Liebe Grüße, Bernd
Liebe Jasmin, es hat mich sehr gefreut, deinen Kommentar zu lesen und es freut mich so sehr, dass dir der Text gefällt. So oft konzentrieren sich Menschen nur darauf, was sie sehen und dabei gibt es noch so viel mehr, was man empfinden und erleben kann, wenn man mit allen Sinnen fühlt. Setze dich ruhig einmal in ein Kaffee, wenn es wider möglich ist, und schließe deine Augen. Du wirst ganz anderes empfinden, wenn du dich nur auf deine umgebung konzentrierst, ohne sie zu sehen. Sehr gerne würde ich mehr über mich und mein erleben schreiben. Ich wünsche dir alles Gute und pass gut auf dich auf.
Bianka
Wie schön kann es sein zu erfahren auf welche andere art man reisen erleben kann. Danke für den text, dieser gibt mir das bewusstsein wie sich andere regionen auf der welt noch definieren
Hallo Lola, stimmt. Aus dieser Geschichte kann man sehr viel lernen. Wichtig ist eine positive Grundeinstellung zum Leben.
Liebe Lola, genau das wollte ich mit dem Text bewirken, dass das Reisen mit allen Sinnen erlebt wird. So genießt man es noch viel mehr. Anstatt nur mit der Kamera ausgerüstet umherzulaufen, kann man Z.B. einfach einmal an einem schönen Ort inne halten und fühlen, wie schön und besonders er ist.