Teil 2: Das frühe Christentum

In all meinem Besuchen in Rom habe ich mich hauptsächlich mit zwei Arten von Zielen befasst: Den 2000 Jahre alten Bauten der Antike oder den deutlich jüngeren, repräsentativen Bauten des anspruchsvollen Barock mit seinen Kunstwerken alter Meister. Im ersten Teil (Rom, Teil 1) habe ich ja bereits von den von Walter Schnerring empfohlenen antiken Sehenswürdigkeiten erzählt, hier soll es jetzt um das gehen, was mir bisher immer entgangen ist: die alten, aber weniger pompösen Kirchen der frühen Christenheit.

In meinem Gespräch mit dem Kunsthistoriker hat er mir von den Besonderheiten dieser Kirchen erzählt und mich davon überzeugt, dass ich mir diese bei meinem nächsten Besuch unbedingt ansehen muss.

Auf der langen Liste an Sehenswürdigkeiten haben nämlich einige Kirchen aus dieser Zeit ihren Platz gefunden.

“Die frühchristlichen Kirchen sind alle ergreifend schön. Sie sind nicht so riesig, nicht so überdimensioniert, um den Menschen nieder zu drücken. Nicht wie im Vatikan. Frühchristliche Kirchen sind menschlich, da kann man Korrespondenz aufnehmen. Die Fresken und Mosaiken sind so nahe, dass man sie noch erkennen kann. Das ist ja bei vielen Dingen im San Pietro Vaticano nicht möglich. Da braucht man ein Fernglas und das wird einem dann abgenommen am Eingang.“

Walter Schnerring
Walter Schnerring
Walter Schnerring

Frühchristliche Kirchen erkennen

Man muss eine Kirche oft nicht mal betreten, um zu wissen, ob sie frühchristlich ist. Da Rom über die Jahrhunderte, welche die Stadt schon besteht, viel an Zerstörung, Wiederaufbau und Renovierungen erlebt hat, sind große Teile der Stadt auf den Trümmern der Vergangenheit errichtet. Die alten, frühchristlichen Kirchen aber eben noch nicht. Deshalb liegen sie oft etwas tiefer als der Rest der Stadt und man muss am Eingang der Kirchen ein paar Stufen nach unten laufen.

Einfach nur ziellos durch die Stadt zu laufen, um frühchristliche Kirchen zu suchen ist vielleicht nicht das, was man beim Besichtigen der Stadt tun möchte. Deshalb hat Walter Schnerring fünf frühchristlichen Kirchen in der Stadt empfohlen, welche man besuchen sollte. Ich habe aus diesen für meinen nächsten Besuch in Rom eine Tour zusammengestellt, welche man gut an einem Tag machen kann.

Aventin

Will man seine Reise durch das Rom der frühen Christen antreten, ist der Aventinhügel ein guter Startpunkt. Dieser ist einer von Roms sieben Hügeln und im Süden der Stadt direkt am Tiber gelegen.

Im Vergleich zu einem Großteil des Rests der Stadt ist der Aventin touristisch vergleichsweise etwas ruhiger. Hier fahren keine Sightseeingbusse und man sieht nicht an jeder Ecke eine geführte Reisegruppe. Dafür kann man die Villen der reichen Römer sehen und den besten Blick auf den Petrusdom genießen. Diesen hat man von einer kleinen Aussichtsplattform, unter den Einheimischen bekannt als das Schlüsselloch.

Von hier aus startet auch unsere Tour durch das frühchristliche Rom, in der benachbart gelegenen Santa Sabina.

Vatikan mit Petersdom
Vatikan mit Petersdom

Santa Sabina

Diese ist eine der ältesten christlichen Kirchen in Rom und wurde bereits in den 430er-Jahren fertiggestellt. Betritt man sie, merkt man direkt, was Walter Schnerring meint, wenn er sagt, die Kirchen der frühen Christenheit sein menschlicher als ihre Äquivalente im Vatikan. Hier ist alles noch sehr einfach, die Flachdecke ist nicht so hoch und aus Holz. Das Mittelschiff konnte noch nicht breiter sein als die längsten Bäume Italiens es als Balken erlaubten. Die überwältigende Pracht aus Marmor und Gold, welche für viele Kirchen Roms so charakteristisch ist, fehlt. Die Intarsien an den Wänden verzieren die Kirche. Sie stammen aus dem fünften Jahrhundert und sind die Einzigen aus dieser Zeit, welche in Rom bis heute überlebt haben.

Besonders auffallend sind die Säulen zwischen dem Mittelschiff und den Seitenschiffen der Basilika. Bei ihnen handelt es sich um Spolien, also Säulen aus antiken Gebäuden, welche aus diesen geraubt und neu verwendet wurden. Ein großer Teil der Kirche scheint ein Puzzle aus Überbleibseln der Antike zu sein. So ist eine der Mauern der Kirche früher Teil der Servianischen Mauer, der Stadtmauer des antiken Roms, gewesen. Geht man in das rechte Seitenschiff, kann man auch einen Blick auf die Ausgrabung eines römischen Wohnhauses werfen. Auf diesen ist die Kirche einst errichtet worden und wenn man in Vorhinein anfragt, besteht sogar die Möglichkeit, eine Sonderführung durch die Ausgrabung zu bekommen.

Der wahre Schatz der Kirche ist aber ihre Tür. Bei der großen Eingangstür aus Zypressenholz handelt es sich um die älteste erhaltene Tür einer christlichen Kirche mit der ältesten Darstellung von Jesus am Kreuz (ganz oben auf der linken Seite).

Insgesamt besteht die Tür aus 28 Reliefplatten, welche einst Bilder aus der Bibel gezeigt hatten. Davon sind heute nur noch 18 erhalten und leider ist auch unbekannt, was die verlorenen zehn Platten zeigten.

Wie Walter Schnerring erklärt, ist diese frühe Darstellung von Jesus am Kreuz eine sehr wichtige, da sie ein Umdenken im christlichen Glauben zeigt. In der früheren Zeit der Religion warteten ihren Anhänger noch auf die Auferstehung Jesu Christi und wollten sein Leid und die Folter am Kreuz nicht darstellen. Erst als der Glaube sich wandelte und seine Anhänger nicht mehr damit rechneten, dass ihr Heiland noch innerhalb ihrer Lebenszeit wieder kommen würde, begannen sie solche distanzierten Darstellungen anzufertigen. Diese Atmosphäre der Mitmenschlichkeit atmen alle frühchristlichen Kirchen noch ohne die barocke Machtdemonstration des Papsttums.

Santa Sabina

Santa Maria Trastevere

Die zweite Kirche auf dieser Tour befindet sich, wie der Name Trastevere es schon verrät, auf der rechten Seite des Tibers. Sie ist zu Fuß bequem in zwanzig Minuten von der Santa Sabina zu erreichen.

Errichtet wurde die Kirche auf einer ölhaltigen Quelle, welche wahrscheinlich durch vulkanische Aktivitäten entstanden war. Gedeutet wurde diese Quelle aber als Omen für das Kommen des Messias, des Gesalbten und Geölten, weshalb an genau dem Punkt der Altar errichtet wurde.

Was an der Kirche auffällt, ist, dass sie deutlich luxuriöser als die Santa Sabina ist. Das liegt daran, dass sie in während ihres Bestehens immer wieder eine wichtige Rolle als Kirche in Rom spielte und dabei immer mehr mit Gold verziert wurde.

Walter Schnerring hat mir diese Kirche aber nicht wegen ihrer Massen von Gold an der Wand empfohlen, sondern wegen ihrer wunderschönen Mosaiken. Vielleicht die Schönsten in ganz Rom.

Santi Cosma e Damiano

Weiter geht es in Richtung Forum Romanum. Dort ums Eck liegt nämlich die dritte Kirche auf der Liste.

Die Lage der Santo Cosma E Damiano ist kein Zufall. Sie entstand in einer Zeit, in welcher das Christentum zwar schon die offizielle Religion des Römischen Reichs war, aber der alte Glauben an ein Pantheon voller Götter noch stark in der Stadt vertreten war. Das Zentrum dieses Glaubens war das Forum Romanum und diese Kirche wurde direkt daneben in einem ehemaligen Tempel der Venus errichtet, damit sie mehr Leute  zum christlichen Glauben herüberziehen konnte.

Da sie aus einem Tempel entstanden ist, die traditionell rund waren, ist es eine der wenigen christlichen Kirchen, welche zwar Zentralbauten sind, aber nicht dem Tod oder der Taufe gewidmet ist.

Bis auf die Form sieht man von dem einstigen Tempel allerdings nicht mehr viel. Über die Jahre wurde die Kirche immer weiter ausgebaut, umgebaut und verziert. In den 530ern erhielt sie ein großes Apsismosaik, welches zu den wichtigsten frühchristlichen Kunstwerken Roms zählt. Dieses zeigt die Wiederkunft Christi als Weltenrichter, als Pantokrator. Eine der wichtigsten Glaubensgrundlagen des frühen Christentums und das, was man sich beim Besuch der Kirche definitiv ansehen sollte.

Santi Cosma e Damiano
Santi Cosma e Damiano

Sant Stephano Rotondo

Eine Viertelstunde zu Fuß entfernt liegt die vorletzte Station auf der Tour durch die frühchristlichen Kirchen.

Hier verrät der Name schon, was einen erwartet. Die Kirche ist das Grab des heiligen Stephan und als solches ein Zentralbau. Sie besteht allerdings nicht aus einer großen Kuppel, sondern aus drei konzentrischen Kreisen. Diese bilden mit ihren Verbindungen die Form eines griechischen Kreuzes. Das kann man heute im Grundriss erkennen.

Im Inneren kann man die Form nicht mehr nachvollziehen. Das liegt daran, dass die Kirche zwischen 590 und 1580 mehrmals teilweise zerstörter und neu aufbaut wurde. Dadurch scheint der Aufbau der Räume im Inneren, keiner erkennbaren Logik mehr zu folgen.

Gerade wegen ihres ungewöhnlichen Aufbaus ist die Kirche aber sehr besonders. Der Innenraum mit seinem Kreis aus Säulen um den Altar, welche das Dach tragen ist ein atemberaubender Anblick.

Man kann auch als ungeschulter Besucher sehr gut nachvollziehen, warum diese Kirche als eines der großartigsten Bauwerke aus der Spätantike gilt.

Unter der Kirche befindet sich noch einer der wenigen erhaltenen Tempel des antiken Mithras-Kultes. Der Tempel kann auf Anfrage besichtigt werden.

Sant Stephano Rotondo
Sant Stephano Rotondo

Santa Costanza (Mausoleum der Constantia)

Das letzte Ziel der Tour durch die frühe Christenzeit Roms liegt ein Stück entfernt vom Zentrum. Wer möchte, kann sich die Stunde Zeit nehmen, um es zu Fuß zu erreichen und auf dem Weg die Stadt ansehen. Wenn man lieber nicht laufen will, erreicht man die Kirche auch bequem mit dem Bus.

Das ist sowieso die von Walter Schnerring empfohlene Art der Fortbewegung für jeden, der sich der Stadt intensiver annähern möchte: „aufspringen, wieder aussteigen und wieder aufspringen“.

Das Grab von Costanza wurde im Jahr 340 als Mausoleum für die Tochter Kaiser Konstantin des Großen, der sich hat taufen lassen, gebaut. Wegen der Verehrung der heiligen Constantias wurde der Bau später in eine Kirche umgewandelt.

Wichtig ist der Sarkophag der Constantia aus rotem Porphyr. In der Kirche findet man aber nur noch ein Imitat. Das Original ist heute in den vatikanischen Museen ausgestellt. Im Gegenteil zu dem Vatikanischen Museum ist das Imitat hier aber an seinem zugedachten Platz und kann ganz in Ruhe betrachtet werden.

Der Sarkophag ist eine besondere Meisterleistung, da der Porphyr so hart ist, das normale Eisenwerkzeuge wie sie damals im Einsatz waren, bei der Bearbeitung schnell stumpf wurden. Um ihn zu schaffen, müssen also eine große Menge Werkzeuge verbraucht worden sein.

Außerdem sind die Mosaiken der Kirche einen Blick wert. Sie gehören zu den wenigen erhaltenen frühchristlichen Figuren- und Szenenbildern und zeigen noch weniger christliche Symbole und heitere Tier- und Pflanzenwelt, die ebenso symbolisch verstanden wurde, wie wir aus der Sammlung „Physiologus“ (um 250 n.Chr.) wissen.

Nächste Station: Marmor, Gold und alte Meister

Wir sind immer noch nicht am Ende der Liste aller Empfehlungen angekommen. Im dritten und letzten Teil werde ich über die sehenswertesten Kirchen des Barock berichten. Das ist nicht nur der größte Teil der Empfehlungen, sondern auch der, zu dem Walter Schnerring die meisten Anekdoten zu erzählen hatte.